Tag 25 der Bauarbeiten – Gedanken zum Richtfest

Ich hatte ja bereits geschrieben, dass nun bald das traditionelle Richtfest ansteht.

Für uns kam das gestern etwas überraschend, denn bisher stand noch gar nicht so genau fest, wann denn nun eigentlich der Dachstuhl wirklich drauf kommt. Jetzt ist es aber soweit – in 4 Tagen kommen die Zimmerleute und die Zeit drängt! Wieso drängt denn nun aber eigentlich die Zeit? Um das zu beantworten möchte ich euch gern erst einmal etwas über die Tradition und den Ablauf des Richtfestes erzählen:

 

Richtfest

Das Richtfest wird gefeiert, wenn der Rohbau fertiggestellt und der Dachstuhl errichtet ist.  Der Name des Richtfestes leitet sich daher auch von errichten bzw. aufrichten ab, womit das Aufstellen des Dachstuhles bezeichnet ist. Aus diesem Grund wird z.B. in der Schweiz das Richtfest  auch als Aufrichte bezeichnet. Man kennt aber natürlich, je nach Region und Land, noch viele weitere Namen für das Fest: Hebefest, Firstbier, Aufschlagfest, Dachgleiche, Bauheben usw..

 

Wann wird gefeiert

Gefeiert werden sollte, noch bevor das Dach mit Ziegeln gedeckt ist. Sicherlich eine zunehmend schwierige Aufgabe für Bauherren, da immer häufiger auch mit Fertighäusern gebaut wird, bei welchem die Errichtung des gesamten Hauses innerhalb weniger Tage stattfindet – aber auch hier findet sich sicher für jeden eine Lösung … wenn man etwas kreativ ist.

 

Wieso wird gefeiert

Das Richtfest lässt sich bereits seit dem 14. Jahrhundert nachweisen und hatte aufgrund von Aberglaube, Tradition und gesellschaftlichen Charakter einen deutlich höheren Stellenwert als heute. Dies begründet sich in der Art und Weise des damaligen Hausbaus:

Während heute die meisten Häuser durch Hausbaufirmen errichtet werden und man die Bauarbeiter der verschiedenen Gewerke oftmals nur für wenige Tage sieht, bevor diese auf die nächste Baustelle weiterziehen, gestaltete sich der Hausbau damals deutlich anders. Früher wurde nämlich nicht nur der Dachstuhl aus Holz errichtet, sondern das gesamte Haus entstand in einem Balkenwerk, was auch als Fachbauwerk bekannt ist. Der Hausbau ging dadurch vom Fällen der Bäume, dem Transport, dem Zurechtsägen der Stämme bis hin zum Auffüllen des Hauses mit Lehm – eine sehr anstrengende und zeitaufwendige Arbeit, welche viel Geschick und Arbeitskraft verlangte. Hier war es meist unabdingbar, die Familie, Freunde und  Verwandte und sogar die Nachbarschaft als „Helfer auf dem Bau“ hinzu zu ziehen.

Das Richtfest selbst diente daher nicht nur zum Feiern des ersten großen Abschnitts beim Bau des Hauses, sondern stellte vielmehr die Möglichkeit des „Danke-Sagens“ an alle Helfer dar. Zudem markierte es auch den Zeitpunkt, um noch offene Rechnungen zu begleichen und die Handwerker zu entlohnen.

 

Der Richtschmuck

Weshalb ein Bäumchen auf dem Dach und eingewobene Bändchen als Schmuck?

Die Menschen waren damals, anders als heute, sehr vom Wald abhängig. Dieser diente als Nahrungsquelle mit Beeren und Pilzen, dem Reisig zum Entzünden von Feuern, als Schutz/Rückzugsort vor Feinden und natürlich als Lieferant von Holz. Bäume waren in früheren Zeiten einer der wichtigsten Baustoffe überhaupt. Aufgrund der großen Abhängigkeit vom Holz haben die Menschen früher den Wald verehrt und viele Mythen um ihn gerankt. So glaubte man u.a. auch an Waldgeister und das die Seelen Verstorbener in den Baumwipfeln ihre Ruhe fanden. Um eben diese beim Fällen von Bäumen zu beschwichtigen und ihnen für den Rohstoff zu danken, wurde auf dem  Haus der Baumwipfel (heute der Richtbaum) angebracht.
Böse Geister sollten so beschwichtigt  und gute Geister eingeladen werden. Der grüne Baum stellt zudem Gesundheit des Bewohners, als Symbol für Fruchtbarkeit und Lebenskraft, dar. Das „Nicht-Anbringen“ des Baumes und Auslassen der Feierlichkeiten wurde demnach großes Unglück nachgesagt.

– Der Richtbaum (heute auch Richtkrone oder Richtkranz) war übrigens weit vor dem „Christbaum“ bekannt. –

 

Die bunten Bänder gründen sich auf den früher umherwandernden Zimmerleuten, welche in farbigen Tüchern, ihr Hab und Gut transportierten.

Zum Fest banden die Zimmerleute dann ihre Tücher an den Baum und hofften auf Proviant und eventuell Geld für ihre weitere Wanderschaft, denn nach dem Dachstuhl war die Arbeit der Zimmerer getan und sie zogen weiter. Heute schmücken stattdessen bunte Bänder den Baum (obwohl sich sicher keiner der Handwerker über zusätzliche Zuwendungen ärgern dürfte).

 

Ablauf des Richtfestes

Ein Richtfest findet traditionell auf der Baustelle und zur Arbeitszeit statt, damit auch alle Handwerker daran teilnehmen können. Der Richtbaum oder Richtkranz wird auf dem Dach angebracht und einer der Zimmerleute oder der Polier hält eine kurze Rede, welche auch als Zimmermannsspruch oder Richtspruch bekannt ist. Der Spruch ist zugleich Dank an die Bauherren und Bitte „um Gottes Segen“ für das Haus. Traditionell erhält der Redner ein Glas Schnaps, mit welchem er auf das Wohl der Hausbesitzer trinkt und dieses im Anschluss vom Dach wirft. Zerbricht das Glas beim Aufschlag, so gilt dies als gutes Omen. Nun muss der Bauherr noch den „letzten Nagel“ einschlagen und dann findet der Richtschmaus statt.

 

Der Richtschmaus

Nun wird gefeiert. Üblicherweise wird deftige Hausmannskost gereicht. Im 15./16. Jahrhundert war dieser Schmaus übrigens fester Bestandteil des Lohns der Handwerker. Heute stellt er eine schöne Gelegenheit dar, sich bei allen Beteiligten zu Bedanken und Familie, Freunden und Nachbarn den Baufortschritt zu präsentieren.

Was kann man den Gästen also anbieten, was „darf“ nicht fehlen?!

Natürlich sollten genügend Getränke bereitgestellt werden. Hier bedarf es keiner ausgefallenen Weine und Cocktails – Bier, Schnaps und alkoholfreie Getränke reichen völlig aus. Beim Essen können einfache Salate, wie Nudel- oder Kartoffelsalat, Wienerwürstchen, alles was „der Grill hergibt“, geschmierte Brote und gern auch warme Suppen, wie Gulaschsuppe oder Erbseneintopf gereicht werden.

Wichtig ist es hierbei natürlich, auch die Anzahl der Gäste ungefähr zu kennen.

 

Wen lade ich zum Richtfest ein

Eine interessante und für viele auch schwierige Frage. Zunächst werden üblicherweise alle bisher am Bau Beteiligten eingeladen. Dies sind die bisher tätig gewordenen Handwerker, der Bauleiter, der Architekt, natürlich die Zimmerleute und alle anderen im Zusammenhang mit dem Bau stehenden Personen. Daneben dürfen natürlich Freunde und Familie nicht fehlen (auch zukünftige Nachbarn freuen sich sicher über eine Einladung). Dieser Personenkreis stellt die Anzahl der Gäste dar, für deren „leibliches Wohl“ man zu sorgen hat.

Dies klingt zunächst einfach – was aber, wenn man nicht alle einladen möchte oder nicht alle zu diesem Zeitpunkt teilnehmen können z.B. weil sie auf Arbeit sind oder anderweitig verhindert. Kein Problem, denn es ist ja das Fest der Bauherren – sie laden ein, mit wem sie feiern möchten und wann sie dies tun möchten! Nun ja, ganz so einfach ist es dann nun leider doch nicht:

Natürlich wäre es schön, wenn man tatsächlich direkt nach dem Aufstellen des Dachstuhls feiern kann und das zu einer Uhrzeit, zu welcher auch die Bauarbeiter noch da sind … aber nehmen wir doch“einfach“ unser anstehendes Richtfest als Beispiel:

In vier Tagen kommen die Zimmerleute – das ist ein Montag. In zwei bis drei Tagen ist der Dachstuhl dann errichtet. Dies wäre dann der Mittwoch und damit auch der Tag, an welchem das Richtfest gefeiert werden sollte, da danach die Zimmerleute zur nächsten Baustelle ziehen und die Dachdecker kommen. Damit wäre eigentlich alles klar, nicht wahr?! Mitnichten!

Papa und Bruder von Frauchen sind beide nicht da und auch der Papa von Herrchen könnte am Mittwoch nicht teilnehmen. Der Bruder, die Schwägerin und die Nichte von Herrchen wohnen weiter weg und können unter der Woche sicher nicht einfach „mal kurz“ einige hundert Kilometer zum Feiern fahren. Die meisten Bekannten und Freunde arbeiten bis Nachmittag gegen 16 Uhr – wenn aber alle Handwerker zum Richtspruch und zur Feier dabei sein sollen, müsste dies spätestens gegen 15 Uhr erfolgen, denn diese bleiben bestimmt nicht wirklich gern nach Feierabend noch auf der Baustelle. Hinzu kommt die Kurzfristigkeit der ganzen Feier – ist oder kann Jeder wirklich so spontan sein? Erreichen wir so schnell alle Leute die uns wichtig sind?

Verschieben wir doch die Feier einfach auf den Freitag!
Besser: Ja!
Einfach: Nein!

Nein, weil dann ja die Zimmerleute nicht mehr da sind, die den Richtspruch sprechen und auch die Maurer sind dann natürlich schon weitergezogen … Das Dach wäre dann wohl auch sogar schon gedeckt und vom Dachstuhl nichts mehr zu sehen – wo wird dann der Richtbaum angebracht?!

Was ist nun zudem mit den „Gästen“ die man eigentlich nicht einladen möchte, man sich aber „verpflichtet fühlt“? Solche Gäste wären zum Beispiel unsere Architektin, der Vermittler unseres Hauses und der Chef der Hausbaufirma (Gründe hierfür werde ich euch, aus sicher verständlichen Gründen, erst nach Fertigstellung des Hauses berichten können). Wie also ist mit diesen „Gästen“ zu verfahren? Lädt man sie einfach nicht ein? Und was wenn sie sich quasi „selbst einladen“?

Wie soll man unter diesen Bedingungen mit der Menge an Getränken und Essen rechnen? Sollten wir also die Feier ausfallen lassen?

 

Fazit zum Richtfest

Ausfallen lassen – ein ganz klares und entschiedenes: Nein! Wir sind stolz auf unser Haus und möchten diesen Abschnitt der Fertigstellung feiern – und zwar mit Familie und Freunden und (einigen) Baubeteiligten!

Hier kommt also die Lösung?!
Leider Nein, denn die haben wir noch nicht … lasst euch also, ebenso wie wir, vom Ergebnis unserer Planung überraschen!

2 Gedanken zu „Tag 25 der Bauarbeiten – Gedanken zum Richtfest“

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